8 Tipps
für erfolgreiches Projektmanagement in der Praxis
von Oliver
Recklies
1
Sinnvoller Einsatz von Projektarbeit
Projekte
sollten nur dann ins Leben gerufen werden, wenn die Lösung der gestellten Aufgabe
wirklich ein Projekt erfordert. Das trifft insbesondere dann zu, wenn es sich
um sehr komplexe und vor allem fachübergreifende Themen handelt, die von einem
Mitarbeiter (und sei er noch so ein Allrounder oder ein Zeitgenie) in dem
vorgegeben Zeitfenster nicht bewältigt werden können.
In der
Praxis ist hingegen manchmal festzustellen, dass Projekte der Projektarbeit
wegen installiert werden. Projektarbeit ist „in“, fördert und fordert die
Teamfähigkeit und scheint – wenn man so einigen Veröffentlichungen trauen darf
– die Lösung für jedes Problem im Unternehmen zu sein. Was darüber hinaus oft
vergessen wird, ist der Aspekt, dass es trotz unserer so „dynamischen und
komplexen“ Umwelt immer noch eine Vielzahl von unternehmerischen
Problemstellungen gibt, die ein 2-Mann-Team oder sogar der Spezialist in Abstimmung
mit anderen Fachabteilungen (besser / schneller) lösen kann. Projektarbeit
bindet auch Ressourcen und kann daher in manchen Situationen eher zur Bremse
als zum Gashebel werden. Nicht umsonst hat sich Frederich Malik sehr
differenziert zum Thema „Teamarbeit“ geäußert.
Fazit: Bevor ein Projekt vom Stapel gelassen wird, genau
prüfen, ob die Fragestellung wirklich ein Projekt erfordert oder ggf. nicht in
einem kleinen Team gelöst werden kann.
2
Genaue Projektziele
Die
Zielsetzung, die mit einem Projekt verbunden sein soll, muss relativ klar
umrissen werden. Dieser Umriss hängt natürlich von der Art des Projektes ab. In
der Praxis hat sich die Unterscheidung von 3 Projektarten als günstig erwiesen:
· Evaluationsprojekt: Der Ausgangslage ist unbekannt und soll
untersucht werden, das Ergebnis hingegen ist völlig offen.
· Explorationsprojekt: Ein bekannter Sachverhalt soll genauer
untersucht und analysiert werden. Man erwartet ein Ergebnis in einem bestimmten
Bereich.
· Transferprojekt: Eine angedachte mögliche Lösung soll
untersucht, angepasst und implementiert werden.
Dabei wird
deutlich, dass bei Evaluationsprojekten die Zielsetzung am unkonkretesten sein
wird. Möglicher Praxisfehler: Obwohl es sich um ein solches Projekt handelt,
wird ein möglicher Lösungsbereich schon vorgegeben: „Wir erwarten Ergebnisse in
dem und dem Bereich....“. Dies schränkt den tatsächlichen Raum der
Möglichkeiten stark ein und führt ggf. zu falschen oder fehlerhaften
Projektergebnissen.
In der
Unternehmenspraxis sind aber unkonkrete Projektaufträge häufiger anzutreffen.
Das soll eine „Kosteneinsparung“ in unbekannter Höhe erreicht werden (5% oder
25 %?), da sollen Alternativen untersucht werden (2 oder 12?) oder eine
Maßnahme ohne Kostenbegrenzung (Geld spielt erst mal keine Rolle – wenn die
Lösung gut ist, darf sie auch etwas kosten) geplant werden. Bei solchen
Projektaufträgen wird der Projektleiter bei der Ergebnispräsentation merken,
dass er auf dem Glatteis steht – und zwar dort, wo das Eis dünn ist. Der Auftraggeber
hat immer eine Vorstellung, in welchem Rahmen er eine Kosteneinsparung erwartet,
welches Minimum an Alternativen und ab welchem Kostenblock die bekannten „Bauchschmerzen“
kommen.
Fazit: Klären, um welche Art von Projekt es sich handelt.
Dann das Projektziel klar umreißen lassen. Nachfragen und immer wieder
nachfragen. Zu guter Letzt natürlich das Projektziel im Projektauftrag
schriftlich festhalten und den gesamten Projektauftrag bestätigen lassen.
3
Realistisches Budget
Mit dem
Problem der Projektziele sind eng zwei weitere Probleme verbunden. Eines davon
betrifft den Bereich der Kosten. Man muss grundsätzlich realistisch sein:
Projekte brauchen Budgets! Projekte ohne Budgets enden im
Managementnirwana
schöner Präsentationen und kreativer Flipcharts mit Lösungen, die einfach nicht
umsetzbar sind (und deren Erzeugung unnötig Ressourcen verbraucht hat). Gemäß
dem ökonomischen Prinzip macht es keinen Sinn, für ein Projektziel endlos
Ressourcen zu verbrauchen, irgendwann wird auch die beste (Projekt)Lösung
einfach zu teuer. Empfehlenswert ist immer noch eine alte Werbung von ABB, die
folgenden sinngemäßen Inhalt hatte: Lieber 92 % in 2 Monaten als 98,5 % in 2 Jahren.
Andererseits
muss ein Budget der Zielsetzung und den damit verbundenen Aufgaben des
Projektes angemessen sein. Bestimmte Maßnahmen (z.B. der Einsatz externer
Trainer oder Berater) haben – will das Unternehmen einen bestimmten
Qualitätsanspruch wahren – eine Preisuntergrenze. Bei komplexeren Aufgaben kann
eine integrierte Projektsteuerung aber durchaus von Vorteil sein. Sie verwaltet
nicht nur die einzelnen Meilensteine, Arbeitsschritte und Ressourcen, sondern
liefert auch Ergebnisse für andere Abteilung. So gibt es hier Systeme, die die
Basis-Kennzahlen aus dem Projekt mit den Daten aus der Finanzbuchhalten, der
Personalabteilung, dem Vertrieb, dem Einkauf sowie dem Controlling miteinander
in Verbindung bringen. Diese Zahlengefüge sind dann mit einer Excel-Tabelle auf
keinen Fall mehr zu bewerkstelligen und nehmen einem zuständigen Mitglied des
Projekts viel Arbeit ab.
Beispiel:
Einführung eines CRM-Systems
Bei einem
solchen System wird das Budget i.d.R. die folgenden Positionen umfassen
·
Software-Lizenzen
·
Hardware-Investitionen, ggf. Upgrade der vorhandenen Clients
·
Training für Software-Handling
Tatsächlich
werden in der Praxis noch weitere Kosten entstehen. Dazu können z.B. gehören:
·
Training für Verhaltensänderung der Mitarbeiter
(Verbesserung des Beziehungsmanagements)
·
Führungskräftetraining für Coaching-Maßnahmen
Unterschreitet
das Unternehmen bei der
Projektbudgetierung diese Untergrenze in der Gesamtheit
aller notwendigen Projektaktivitäten, wird das Projekt in der angestrebten Form
nicht umsetzbar sein.
Fazit: Detailliert erfassen, welche Maßnahmen in der
Gesamtheit notwendig sind und was diese im einzelnen wirklich kosten. Bewährt
hat sich auch eine Unterscheidung nach Auszahlungen und Kosten. Wichtig dabei:
Nicht dem Wunschdenken verfallen, dass man das irgendwie doch zu diesem
(unrealistischen) Budget schaffen kann.
4
Realistische Zeitplanung
Das zweite
Problem in Verbindung mit den Projektzielen ist die Zeitplanung. Projekte brauchen
natürlich Zeitvorgaben oder Zeitfenster, in dem definiert wird, wann das
gesamte Projekt abgeschlossen sein muss. Auch hier gilt wieder das ökonomische
Prinzip. Bei komplexen Projekten kann eine solche Zeitbudgetierung in der
Praxis schwierig werden. Wer kann schon genau prognostizieren, ob die
Entwicklungsabteilung wirklich in 2 Monaten das neue Design fertig hat? Das
sind natürlich auch die Faktoren, die die Projektarbeit jedes Mal wieder
herausfordernd und interessant machen. Aber auch hier liegt die Betonung auf realistisch:
Je länger ein Projekt läuft oder laufen muss, umso weniger genau kann der
Fertigstellungstermin bestimmt werden. Daher sollten entsprechende Zeitpuffer
eingebaut werden. Ein Projekt, das nur 2 Wochen läuft, braucht natürlich fast
keinen Puffer. Läuft ein Projekt hingegen 9 Monate, ist eine Zeitreserve von 1
Woche gerade noch akzeptabel. Projekte über lange Zeiträume (3 Monate +) ohne
Zeitreserven können in schwerwiegende Terminprobleme geraten.
Fazit: Zeitbedürfnisse anhand der Mengengerüste müssen
objektiv ermittelt werden. Ebenso sollten für die Projektstruktur der oder die
kritischen Pfade ermittelt werden, welche die Mindestdauer des Projektes
bestimmen. Je länger die Zeitdauer des Projektes, um so größer sollten auch für
die kritischen Pfade Zeitreserven eingebaut werden.
5
Projektzusammensetzung
Im Rahmen
des Projektauftrages wird oft auch beschrieben, welche Mitarbeiter in dem Projekt
mitwirken und wer der Projektleiter sein wird. Projektarbeiten sind – neben
ihrer Eigenschaft zur Lösung komplexer Fragestellungen – auch ideale
Instrumente zur
Personalentwicklung. In der Praxis kann es hingegen passieren,
dass aufgrund des hierarchischen Denkens in den Unternehmen, schwerpunktmäßig
Führungskräfte in die Projekte berufen werden. Damit können sich 2
Problemstellungen verbinden. Sind die Hierarchiestufen im Projektteam zu groß,
können diese hemmend wirken und kritische Diskussionen im Keim ersticken. Bei
solchen Konstellationen muss bedacht werden, dass zu einer Teamfindung immer
auch eine „Stormingphase“ gehört. Kommt sie nicht zustande, werden die im
Projektteam zu klärenden Fragen nicht offen und ehrlich gelöst, so dass ab
einem bestimmten Zeitpunkt die Arbeit „hinter dem Rücken des Feindes“ beginnen
wird.
Auch ist
zu beachten, dass die potentiellen Projektmitglieder noch Zeitreserven für die
Projektarbeit haben. Mitarbeiter, die schon aufgrund ihrer Arbeitsbelastung die
reguläre 55-Stunden-Woche haben, sollten für Projektarbeit nicht eingesetzt
werden. Der coole Spruch: „50 % in der Arbeitszeit, 50 % in der Freizeit“ hilft
hier auch nicht weiter. Das Ergebnis solcher Teams wird sein, dass nachher
EINER die GANZE Projektarbeit macht. Da bekommt „Team“ eine völlig neue
Bedeutung: Toll Ein Anderer Machts.
Fazit: Keine großen hierarchischen Differenzen im
Projektteam zulassen. Projektmitglieder mit entsprechenden Zeitreserven
ausstatten, ggf. von ihrer „normalen“ Arbeit entlasten.
6
Workshops vs. Projektarbeit
Die
Begeisterung für Projektarbeit ist am Anfang (und hoffentlich auch am Ende)
immer groß. Gerade wenn Projektarbeit das erste Mal in einem Unternehmen zum
Einsatz kommt, wird man feststellen können, dass die Beteiligungsgründe völlig
unterschiedlich sind. In der Praxis können in solchen Situationen die folgenden
Gründe auftreten:
-
Echtes Interesse am Projektergebnis
-
Einbringung von Ideen
-
Erwerb von Projektmanagementfähigkeiten
-
„Mitwirken wollen“ bei Veränderungen
-
Informationsgewinn im Sinne eines zeitlichen
Vorsprungs
-
Teilnahme an Besprechungen, weil man mit der
eigenen Arbeit nicht zufrieden ist und sich einen neuen „Spielplatz“ sucht
In diesem
Spektrum der Interessenlagen spielt sich die Projektarbeit ab. Verbunden ist
dies mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen, wie Projektarbeit
funktioniert. Teilweise ist die Meinung anzutreffen, dass die entsprechenden
Tätigkeiten in der Projektsitzung vorgenommen werden. Dies ist falsch, denn das
wäre dann der Workshop. Projektsitzungen oder Arbeitsberatungen dienen vielmehr
dem Zweck, die Ergebnisse der einzelnen Arbeitschritte und die weitere Vorgehensweise
abzustimmen.
Aufgrund
dieser Verwechselung kann es natürlich dazu kommen, dass Projektteilnehmer den
notwendigen Zeitbedarf falsch einschätzen, was spätestens bei der Verteilung
der Projektarbeiten auffallen wird.
Fazit: Bei der Zusammensetzung der Projektteam abgleichen,
wer aus welchen Gründen mitwirken will. Dabei ist sollte auch geprüft werden,
ob die Anforderungen der Projektarbeit von den Teilnehmern tatsächlich erbracht
werden können.
7
Kommunikation und Information zu projektrelevanten Themen
Eine
Projektorganisation besteht neben der normalen Aufbauorganisation des Unternehmens.
Dies hat zur Folge, dass die Informationsströme zum Projekt sich ebenfalls an
diese Projektorganisation anlehnen müssen. In der Praxis hat sich – vor allem
bei Multi-Projektmanagement – diese Projektorganisation bewährt:
·
Lenkungsausschuss zur Entscheidung von Projektmaßnahmen
·
Kernprojektteam zur Führung und Steuerung der Einzelprojekte
·
Projektteams zur einzelnen Projektarbeit.

In der
Praxis treten dann – obwohl anders vereinbart – die folgenden Situationen auf:
· Führungskräfte ändern den Projektauftrag direkt ab (z.B. per
Anweisung an einzelne Projektmitglieder)
· Lenkungsausschuss kommuniziert direkt dem Projektteam oder
einzelnen Projektmitgliedern
· Informationen und neue Sachverhalte werden an das
Projektteam nicht weitergegeben, sondern an die „alte“ Fachabteilung
Fazit: Am Anfang der Projektarbeit ist klar zu definieren
(und auch zu dokumentieren), wer wann wem welche Informationen gibt. Diese
Regelungen sind – mit Ausnahme von Notfällen – konsequent einzuhalten.
Vereinbarte Spielregeln müssen für alle gelten, egal ob es sich um Teamleiter
oder Geschäftsführer handelt. Ggf. die Projektorga in der Aufbauorganisation
miterfassen.
8
Projektdokumentation und Projektsoftware
Grundsätzlich
gilt: Je umfangreicher das Projekt, umso mehr Wert sollte gelegt werden auf
eine nachvollziehbare Projektdokumentation. Wer hat wann auf Grundlage welcher
Informationen welche Entscheidung getroffen? Dies bietet für alle Seiten den
Vorteil, auf dem laufenden zu bleiben und auch im Nachhinein die getroffenen
Maßnahmen nachvollziehen zu können.
Der
Einsatz von Projektsoftware kann allgemein weder befürwortet noch verneint
werden. Je komplexer das Projekt in seinen einzelnen Teilschritten ist, umso
eher empfiehlt sich der Einsatz einer Projektmanagementsoftware. Bei einfach
aufgebauten Projekten wird eine Tabelle in einem Textprogramm mit den
Mindestfeldern „Datum bis“, „Aufgabe“ und „Verantwortung“ völlig ausreichen.
Fazit: Um den administrativen Aufwand gering zu halten,
eine Dokumentationsvorlage entwickeln. Ideal ist es, eine solche als
Dokumentvorlage im PC zu speichern und dann einfach bei Bedarf aufzurufen.
Prüfen, ob eine Projektsoftware wirklich notwendig ist oder ob die vorhandenen
Werkzeuge nicht ausreichend sind.
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November
2002