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Faszinieren statt
rabattieren
von Anne M. Schüller
Egal ob Industrie, Dienstleistung oder Handel: Der
Preis steht wieder deutlich stärker im Fokus. Und das betrifft nicht nur
die Durchsetzung gewinnträchtiger Margen im Verkaufsgespräch sondern
auch den Preisfindungsprozess. Das Pricing wird zwar immer härter,
komplexer, chaotischer und verlustträchtiger – aber auch chancenreicher,
wenn man es ideenreich anzugehen versteht.
Einer im Dezember 2008 durchgeführten Untersuchung des
österreichischen Meinungsforschungsinstituts Marketagent zufolge
bereiten nicht etwa Finanzierungsschwierigkeiten oder Marktsättigung und
Wettbewerbsdruck den Managern die größten Probleme, sondern das Thema
Preise. Es landete auf Platz eins einer vierzehn Themen umfassenden
‚Sorgenskala‘. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie haben aber nicht
immer nur mit einer höheren Preistransparenz und gestiegener
Preissensibilität zu tun. In vielen Fällen sind sie hausgemacht.
Die meisten Firmen beherrschen nämlich weder Kosten
noch Preise, sondern werden von den Preisen beherrscht, die der Markt
oder die Konkurrenz vorgeben. "Wir müssen noch mal mit den Preisen
runter, sonst verkaufen wir am Ende gar nichts mehr“, heißt dann die
Devise. So liefern sich ganze Branchen Preisschlachten mit verheerendem
Ausgang. Bei Preisgesprächen geht es aber nicht immer nur um leere
Portemonnaies. 'Geiz ist geil' ist in Wahrheit ein Spiel für
(Schnäppchen-)Jäger und (Sonderangebots-)Sammler. Seien Sie auf solche
Spiele gut vorbereitet! Werden Sie preis-kreativ!
Eine kleine Bestandsaufnahme
„Bioprodukte gehen bei uns gar nicht“,
sagte mir kürzlich eine Bäckereiverkäuferin. Ich konnte es kaum glauben
und schaute mir das persönlich an. Schon bald kam die erste Kundin und
fragt: “Also, Sie haben Bio-Brötchen und ganz normale Brötchen. Was ist
denn da der Unterschied?“ Daraufhin die Verkäuferin: „Die Bio-Brötchen
sind teurer.“ Hier mag man perplex den Kopf schütteln, denn ganz
offensichtlich sollte die Argumentation in eine ganz andere Richtung
gehen. Doch wer genauer hinsieht, wird feststellen: Viele Verkäufer sind
reine Preisverkäufer, auch in ihren Verkaufsgesprächen dreht sich alles
um den Preis. Wer allerdings immer nur über seine Preise spricht, der
braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kunden nur noch nach den Preisen
fragen.
Nicht jeder Kunde will billig kaufen! Der Billig-Preis
spielt oft eine viel geringere Rolle, als uns Medien und Verkäufer
glauben machen. Und es gibt Geld in Massen. Auf Sparkonten zum Beispiel.
Wie attraktiv sind Sie, um es von dort loszueisen? Ein Verkäufer muss
Wünsche wecken können, von denen der Kunde gestern noch nicht wusste,
dass er sie heute haben wird. Der Kunde muss Ihr Produkt unbedingt haben
wollen. Ihr Angebot muss ihn wie magisch anziehen. Ein Bäcker muss
demnach seine Kunden nicht satt sondern hungrig machen.
'Billig-Billig' ist mit einem Verrohen der Sitten, mit
einem Verfall von Dienstleistungsqualität (Service ist teuer) und mit
Vertrauensschwund ("Hätte ich das nicht irgendwo, nächste Woche noch
billiger bekommen können?") verbunden. Preisdumping ist nicht selten
sogar lebensbedrohlich: für das Unternehmen – und den Verbraucher.
Gerade jetzt sollte es nicht kurzsichtig um das Aufpolieren von
Quartalsergebnissen gehen – sondern um unternehmerische
Zukunftssicherung. Und dazu kann der Vertrieb eine Menge beitragen. In
vielen Branchen ist der Preis ja schließlich der Ertragstreiber Nummer
eins.
Die Achillesferse des Verkäufers
Der Preis ist die Achillesferse des
Verkäufers – beim Preis ist er am besten zu packen. Das Argument ‚zu
teuer’ ist oft nur ein Testballon, um mal zu sehen, wie der Verkäufer
reagiert. ‚Zu teuer’ ist auch ein praktischer Vorwand – eine Vorwand im
wahrsten Sinne des Wortes – um seine wahren Motive zu verschleiern. ‚Zu
teuer’ sagt vielleicht der Kunde, dem Sie im Verkaufsgespräch nicht
genug Achtung, Aufmerksamkeit und Anerkennung gezollt haben, weil Sie zu
sehr mit sich selbst beschäftigt waren. ‚Zu teuer’ wird es heißen, wenn
Sie an Kundenbedürfnissen vorbeiargumentiert haben, weil Ihre Antennen
nicht ausgefahren waren. Was für den Kunden nicht relevant ist, was man
nicht wirklich will und braucht, ist immer zu teuer.
‚Zu teuer’ ist vielleicht die Strafe des Einkäufers,
den Sie nicht mögen, den Sie für einen Abzocker oder Nullchecker halten,
den Sie verschlagen finden und auf internen Meetings gern als
Horrorkunden präsentieren. Denn Ihre Gestik und Mimik wird Ihre
Einstellung verraten. Und der Einkäufer wird sich dafür an Ihrer
schwächsten Stelle rächen: beim Preis!
‚Zu teuer’ ist also nicht selten die Strafe des Kunden
für eine unprofessionelle verkäuferische Leistung. Oder er will mit ‚zu
teuer’ ganz einfach sagen: Beweisen Sie mir, dass sich die Investition
für mich wirklich lohnt! Wer öfter im Preisgespräch scheitert, sollte
sich auch fragen, was das möglicherweise mit ihm selbst zu tun hat. Dies
ist zweifellos der schwierigere Weg, denn es ist ja so leicht, ständig
die Außenwelt, also die eigenen Kollegen, die schwierigen Kunden oder
den unfairen Wettbewerb zum Sündenbock zu erklären.
Verkäufer, die glauben, dass Kunden nur wegen
günstiger Preise kaufen, blockieren sich im Kopf für alle anderen
kreativen Lösungsmöglichkeiten, denn sie signalisieren dem Hirn: Kein
Grund, sich anzustrengen, spar dir die Energie! Leichtfertig vergebene
Rabatte sind oft nur ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter
Beschäftigung mit dem, was den Kunden wirklich bewegt – in rationaler
und in emotionaler Hinsicht. Und: „Das war dem Kunden mal wieder zu
teuer!“ ist eine von vielen Verkäufern gern gewählte Schutzbehauptung,
um den eigenen Misserfolg zu kaschieren.
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