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Die Vision als Schlüsselfaktor im Fusionsprozess

 

 

Von Oliver Recklies

 

 

Kernproblem.. 1

Situationsbeschreibung – Erfolgreiche Fusionen?. 2

Die Probleme des Fit-Ansatzes. 3

Die Erzeugung der Vision. 4

Ausblick. 6

Checkliste für Fusion und Vision. 6

 

Kernproblem

Definition

Allgemein wird unter dem Begriff „Fusion“ bzw. Verschmelzung die höchste Form der Unternehmenskonzentration verstanden, bei der sich mindestens 2 bisher rechtlich selbständige Unternehmen zur einer wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit zusammenschließen.

 

Der Integrationsprozess nach Fusionen ist eine komplexe und kaum zu bewältigende Aufgabe. Er ist dabei verbunden mit langen Listen von Maßnahmen und Einzelaufgaben, die innerhalb relativ kurzer Zeitfenster mit zum Teil unvollständigen Informationen (z.B. Funktions- und Arbeitsfähigkeit der neuen Teams) abgearbeitet werden müssen. Hier liegt der Fokus auf den vielen – jetzt vorhandenen - Gelegenheiten, die genutzt werden müssen und den damit verbundenen Entscheidungen.

Sich in dieser Situation allzu viele Gedanken zu machen, ist allerdings unnötig, so lange nicht die Vision für das neue Unternehmen (allen) bekannt ist. Die Vision für das neu entstandene Unternehmen muss immer zuerst kommen.

 

Fusionspfeil

 

 

In die Integrationsphase fällt der operative Teil des Fusionsprojektes. Erst diese Phase entscheidet häufig über Erfolg und Misserfolg einer Fusion. Die kritischen Erfolgsfaktoren in der Integrationsphase sind in erster Linie die sogenannten weichen Faktoren. Im Rahmen der Integration ist insbesondere auf diese Problembereiche einzugehen:

§         Kommunikation der neuen strategischen Ziele und des neuen Leitbildes des Unternehmens

§         Implementierung einer gemeinsamen Unternehmens- und Managementkultur

§         Frage der Steuerbarkeit der neuen, großen Unternehmenseinheit, auch Überwindung von Führungsproblemen bei sehr großen Unternehmenseinheiten

§         Zusammenführen der bisher getrennten Unternehmenseinheiten

§         Harmonisierung der Management-Kompensation und anderer Management-Incentives

§         Überwinden von Sprachbarrieren und landesspezifischer kultureller Differenzen

§         Überwinden des Misstrauens der Mitarbeiter gegenüber dem jeweils anderen Unternehmen – „Us vs. Them“-Syndrom

§         Besetzung von Führungspositionen

§         Zuteilung von Verantwortungsbereichen

§         Know-how-Transfer zwischen den zu integrierenden Bereichen

§         Erhalt der Kundenbeziehungen während der Integrationsphase

 

Oft scheitern Fusionen an der mangelnden Umsetzung der vorgenannten Punkte.

 

 

Situationsbeschreibung – Erfolgreiche Fusionen?

Das eine Vision eine zentrale Funktion nach Fusionen (oder Post-Merger-Integration – kurz PMI) hat, zeigte eine Untersuchung von ATKearney Ende der 90er Jahre. Danach ließen sich 2 Fakten festhalten:

·         Kompatibilität ist den meisten Unternehmen bei der Fusion wichtiger als die gemeinsame Vision. In Bezug auf die Untersuchung halten 78 % der befragten Unternehmen eine parallele Vergangenheit für wichtiger als eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft. (Exkurs: In diesem Zusammenhang drängt sich ein kritischer Vergleich zum Privatleben auf. Würden Sie mit jemandem eine Partnerschaft (unabhängig davon ob Lebensgemeinschaft, Verlobung oder Ehe) eingehen, mit dem Sie keine Vorstellung über die gemeinsame Zukunft haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dies nicht der Fall. Warum tun Manager etwas im beruflichen Leben, was sie im privaten nicht würden? Der 2. Fakt ist daher auch weniger verwunderlich.

·         Der Großteil der Fusionen schlägt fehl. 58 % der Fusionen sind letzten Endes keine Erfolge, weil sie die gesteckten Ziele deutlich verfehlen.

 

Erfolgsquote nach Fusionstyp auf der Basis des gesamten Shareholder returns

 

Zahlreiche Aspekte des Geschäftslebens (in der Spanne zwischen Strategie und operationalen Einzelplänen) können als Vision missverstanden werden. Aufgrund der Dynamik der Umwelt, in der sich Unternehmen bewegen sowie der immer geringer werdenden Bedeutung von Raum (globales Zusammenwachsen) und Zeit, sind Visionen wichtiger denn zuvor. Die Vision der fusionierten Gesellschaft ist ein zentraler Punkt, denn nur sie ermöglicht es, die Zustimmung aller Beteiligten zu bekommen und ihre Erwartungen zu lenken und in den Griff zu bekommen.

 

Vor mehr als 25 Jahren äußerte ein – bis dahin noch relativ unbekannter – Gordon Moore von der damals ebenso unbekannten Firma Intel den Hinweis, dass seine Ingenieure die wahren Revolutionäre der 60er Jahre seien. Er rechnete damals weiterhin damit, dass seine Computer-Chips alle 18 Monate ihre Leistungsfähigkeit verdoppeln würden  Was für eine Vision!

 

 

Die Probleme des Fit-Ansatzes

Wie bereits o.a. erfolgen über 75 % der Fusionsaktivitäten unter dem Eindruck, dass beide Unternehmen zusammenpassen und ein „Fit“ der Unternehmen vorhanden ist. Betrachtet man nun dieses Kriterium etwas genauer, ist festzustellen, dass nicht viel dahintersteckt. Oft entscheiden oberflächliche Vergleiche der Kundensegmente, der Produktpalette oder der geographischen Marktausdehnung über das Pro- und Contra für „Fit“. Oft stellen auch die Finanzdaten einen wesentlichen Aspekt des „Fit“ dar. Ohne Zweifel ist es sinnvoll in den genannten Bereichen nach Übeinstimmungen und Synergien zu suchen, dennoch sollte die Entscheidung über eine gemeinsame weitere Entwicklung nicht ausschließlich auf solchen Daten basieren.

 

Beachtet man nun, dass 58 % aller Fusionen, die keinen oder nur einen negativen Erfolg haben, wird deutlich, dass der „Fit“-Aspekt als Regel oder Grundlage einer erfolgreichen Fusion nicht verwendet werden kann. Eine einfache finanzielle Übereinstimmung lässt sowohl harte als auch weiche Faktoren außer acht.

 

Vielmehr müssen Faktoren wie

§         Unternehmenskulturen und existierende Wertesysteme

§         Mitarbeiterqualifikationen

§         Kernkompetenzen und intellektuelles Kapital

§         Führungsstile und Kommunikationspotential

§         Stärken und Schwächen in den kritischen Erfolgsfaktoren des Geschäftsfeldes

 

in die Analyse und Bewertung mit einfließen. Sie sind es, die über ein erfolgreiches Zusammenwachsen der bis dahin getrennt agieren Systeme entscheiden. „Fit“ ist – im Gegensatz zu Fusion und Strategie – nicht in der Lage, dem neuen Unternehmen eine Richtung vorzugeben und die Integration voranzutreiben. Nur wenn es beispielsweise gelingt, dem Unternehmen eine neue Kultur zu geben, die von den Mitgliedern der „Altorganisationen“ akzeptiert und geschätzt wird, können die angepeilten Ergebnisse auch wirklich erzielt werden. Zur Ausrichtung der Maßnahmen und zur Verständigung in diesen „weichen“ Bereichen ist daher eine übergeordnete „Routemap“ notwendig – die Vision.

 

Eine Sonderstellung in diesem Rahmen nehmen Fusionen ein, die stark auf dem Egoismus von Top-Managern begründet sind. Da ist jemand, der darauf begierig ist, das größte Unternehmen der Branche zu erzeugen oder den „Deal of the year XXXX“ zu vollziehen. Nichts gegen langfristige Strategien, aber sie müssen immer noch auf einer realistischen und erreichbaren Vision begründet sein. Typische Probleme einer „Ego-fit“-Fusion sind:

§         Zu starke Vereinfachung: Die eigentliche Integrationsarbeit in der Fusion ist von den 2., 3. und 4. Führungsebenen der Fusionspartner vorzunehmen. Diese merken dann oft, wie schwer die Zusammenführung der Unternehmen wirklich ist, welche kulturellen Unterschiede bestehen und dass die im Top-Down-Verfahren entwickelten Strategien sich auf der operativen Ebene oft als Katastrophe herausstellen.

§         Wachstum ist kein Thema: Selten wird auf das Thema Wachstum hingearbeitet, wenn von „Fit“ die Rede ist. Die klassische Fokussierung ist die Vergangenheit und im besten Fall der aktuelle Status Quo.

§         Vision und Strategie fehlen: Der Blick der Beteiligten wird zu sehr auf den „Fit“-Aspekt eingeschränkt, so das Vision und Strategie selten wichtiger Bestandteil des Planes sind.

 

 

Die Erzeugung der Vision

Das Schaffen einer Vision ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine Fusion ohne eine klare oder realistische Vision kann ebenso negativ im Hinblick auf den Shareholder Value sein, wie eine Fusion, die nur auf dem Fit-Aspekt beruht. Oft beruhen Visionen auf guten Ideen, die Leute in nächtelangen Meetings und aufwendigen Projekten entwickelt haben. Problematisch ist, dass vieles, was zunächst vielversprechend klingt, sich oft bei Tageslicht als unbrauchbar erweist.

 

„Berühmte“ Beispiele für anspruchsvolle Visionen und praktisches Scheitern sind:

§         Fusion US-Railroad Pennsylvania und New York Central (1968)

§         AT&T und NCR

§         Versuch der Transformation von Daimler Benz zum Technolgiekonzern (80er Jahre)

§         Fusionsversuch Deutsche Bank – Dresdner Bank (2000)

§         Siemens-Nixdorf (1986 – typische Scale-Fusion)

 

Auch Fusionen, die auf die Erreichung von Scalen-Effekten abzielen, sind nicht erfolgreicher. Die Chance, Skaleneffekte zu erzielen, ist ohne Zweifel nachvollziehbar und verfolgenswert, kann aber dazu führen, dass Führungskräfte die Tücken des als Partner gewünschten Unternehmens nicht erkennen.

 

Eine realistische Vision kann dann entwickelt werden, wenn eine offene und taboolose Analyse durchgeführt wurde, was als Finalziel erreicht werden soll und was im Hinblick auf Kernkompetenzen und finanziellen Ressourcen im Unternehmen vorhanden ist.

 

Das dies nicht immer einfach ist, zeigt eine Analyse aufgetretener Widerstände und Probleme bei den einzelnen Interessengruppen (hier am Beispiel der Stakeholder von Kreditgenossenschaften) während der Pre-Fusionsphase.

 

Interessengruppe

Anzahl der Fusionen mit diesen Problemen

Festgestellte Widerstände und Probleme

Vorstand

2

8

2

 

1

3

3

Angst von einem dominierenden Fusionspartner

Postenproblematik der Vorstände

Konflikte bei der Vergabe der Vorstandskompetenzen und ihrer Aufgabenbereiche

Konflikte hinsichtlich des Sitzes des fusionierten Institutes

Persönliche Animosität der beteiligten Vorstände

Konflikte aufgrund erhöhter Abfindungsanforderungen

Aufsichtsrat

4

3

1

3

 

5

2

Angst von einem dominierenden Fusionspartner

Postenproblematik des Verwaltungsratsvorsitzenden

Postenproblematik der restlichen Aufsichtsräte

Konflikte bezüglich dem Namen und Sitz des fusionierten  Kreditinstitutes

Lokalpolitische Divergenzen

Bestreben nach regionaler Unabhängigkeit

Eigentümer

2

5

8

1

Unverständnis gegenüber der Fusionsnotwendigkeit

Lokalpolitische Divergenzen

Bestreben nach regionaler Unabhängigkeit

Bestreben nach verbesserten finanziellen Anreizen

Mitarbeiter

2

 

2

Konflikte aufgrund der Angst vor Veränderungen auf der 2. Führungsebene

Konflikte aufgrund der Angst vor Veränderungen bei der restlichen Belegschaft

Widerstände und Probleme der Pre-Fusionsphase[1]

 

 

Daher sollte das Due Diligence auch auf Businessthemen und Strategie ausgedehnt werden. Eine Frage dazu kann lauten: „Was werden wir in Zukunft unseren Kunden zu bieten haben, und was kann der Zielpartner realistisch dazu beitragen?“ Somit sollte die Due Diligence auch auf Bereiche ausgedehnt werden, die traditionell nicht Bestandteil dieser Analyse sind:

§         Kunden

§         Mitarbeiterfähigkeiten

§         Konkurrenten

§         Kosten

§         Kultur

 

 

Ausblick

Visionen sind keine Resultate, die aus dem Ärmel geschüttelt werden, sondern das Ergebnis einer gesteuerten organischen Prozesses. Die Vision muss sich dabei aus der Kreativität und Vorstellungskraft der Führungskräfte an der Spitze des Unternehmens ergeben. Dabei sind die Ergebnisse der strategischen Due Diligence zu berücksichtigen sowie weiche Faktoren mit einzubeziehen.

 

Eine neue Spielregel für Fusion und Strategie: Jede Fusion und die nachfolgenden Integrationsmaßnahmen müssen durch eine klare und realistische Vision unterstützt und angeführt werden, deren Inhalte sich aus der strategischen Due Diligence ergeben.

 

 

Checkliste für Fusion und Vision

ü       Definition des Machbaren: Hierbei ist festzustellen, welche Wettbewerbsvorteile bestehen. Kann das Unternehmen in der Forschung oder in einem anderen Bereich stark sein? Die Möglichkeiten beider Fusionspartner müssen geprüft und sorgfältig abgewogen werden.

ü       Bestimmung, wohin der Weg gehen soll: In welchen Märkten (Land, Kundensegment) soll das Unternehmen zukünftig aktiv sein? Wo können die kombinierten Stärken des neuen Unternehmens am besten zur Wirkung kommen und etwas Neues und Herausragendes schaffen?

ü       Ein realistischer Ansatz: Faktoren wie Glaubwürdigkeit und Klarheit dürfen bei der Konzeption einer mutigen Vision nicht außer Acht gelassen werden. Eine unrealistische Äußerung im Thema „Vision“ wird nicht die Zustimmung der Mitarbeiter finden und wird auch zur Folge haben, dass niemand die Vision ernst nimmt.

ü       Einmalig bleiben und nichts nachmachen: Die besten Visionen sind immer noch so einmalig, dass sie nicht oder nur sehr schwer auf andere Unternehmen oder Situationen anwendbar sind. Ohne diese Einmaligkeit wird es schwer für die Mitarbeiter, sich mit der Vision nachhaltig zu identifizieren.

ü       Permanente Kommunikation: Vision (vor)leben. Visionen nehmen im täglichen Kampf um den Erfolg des Unternehmens die unterschiedlichsten Formen (z.B. Stütze, Kontrolle und Motivation) an. Die Führungskraft, die immer wieder kommuniziert, was die Vision wirklich ist, gibt seinen Mitarbeitern damit eine Art Hilfe im Alltag. Gleichzeitig sind Entscheidungen, leichter zu bewerten und zu fällen, da der Gesamtüberblick – im Sinne der Frage „Worum geht es im Unternehmen überhaupt?“ – leichter zu fällen.

ü       Den „Fit-Ansatz“ nicht überbewerten. Wurden alle genannten Leitlinien befolgt, sollte sich die Frage erübrigen, ob die beiden Unternehmen, die fusionieren wollen, auch zusammen passen. Diese Unternehmen werden im Ganzen zusammenpassen, da sie im Hinblick auf Vision und Strategie diese Anforderung bereits erfüllen. Verfolgt das Unternehmen die gleiche Strategie, kann es auch am Markt gemeinsam agieren und Mitarbeiter auf ein Ziel einschwören.

 

 

© Oliver Recklies, Mai 01

 

Pdf-Version zum Drucken (48 KB)



[1] Quelle: S. Topp. 1999. Die Pre-Fusionsphase von Kreditinstituten. Wissenschaft und Praxis. Sternenfels