Das Nischendasein der Nachhaltigkeit
Ab Februar können Verbraucher getragene oder kaputte Kleidung in Filialen der schwedischen Modekette H&M bringen und gegen einen Einkaufsgutschein eintauschen - egal wie zerschlissen die Stücke sind und egal, wo sie erworben wurden. Den Textilmüll will H&M eigenen Angaben zufolge recyceln.
Ab Februar können Verbraucher getragene oder kaputte Kleidung in Filialen der schwedischen Modekette H&M bringen und gegen einen Einkaufsgutschein eintauschen - egal wie zerschlissen die Stücke sind und egal, wo sie erworben wurden. Den Textilmüll will H&M eigenen Angaben zufolge recyceln.
Ein Geschäftspartner sei mit der Weiterverarbeitung betraut worden, heißt es in einer Mitteilung. Die Aktion firmiert unter dem altbekannten Label «der Umwelt zuliebe». Tatsächlich aber soll sie H&M zusätzliche Kunden verschaffen. Denn die gehen mit ihrer Spende auch eine Verpflichtung ein: Pro Tüte erhalten sie einen Rabbat-Gutschein über 15 Prozent auf einen neuen Artikel, natürlich von H&M. Wie die abgegebenen Klamotten recycelt und wofür sie wiederverwendet werden, ist - wie bei vielen anderen Altkleiderspenden - unklar.
Zu beurteilen, ob hier jemand an die Umwelt denkt oder unter dem Deckmantel der Ökologie nur schnellen Profit machen will, sei jedem selbst überlassen. Fakt ist: Grün ist im Trend, das heißt, Unternehmen aller Art entdecken Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil zunehmend für sich. Leider gibt es auch schwarze Schafe ( news.de berichtete), die sich zwar mit grünen Federn schmücken, die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit aber weder konsequent durchdacht noch hinreichend in ihr Geschäftskonzept integriert haben.
Auf das Umdenken müssen Taten folgen
Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit - auf diesen drei Säulen basiert der Begriff der Nachhaltigkeit, erklärt Yvonne Zwick vom Rat für Nachhaltige Entwicklung: «Ein Unternehmen fragt also nicht nur, wie verdiene ich am besten Geld, sondern auch, wie gebe ich mein Geld eigentlich aus.» Denn auch Unternehmen seien Kunden, etwa von Zuliefern in Schwellenländern, in deren Produktionsstätten Menschen- und Arbeitsrechte nur allzu oft verletzt würden. Lange Zeit habe die Überzeugung geherrscht, dafür keine unmittelbare Verantwortung zu tragen.
«Doch jetzt gibt es eine Art Hallo-Wach-Phase, wo klar wird: Die Unternehmen haben sehr wohl eine Verantwortung für Arbeiter in Produktionsstätten, bei denen sie einkaufen», sagt Zwick im Gespräch mit news.de. Infolge dieser Evolution stelle sich die Frage, wie sicherzustellen sei, dass auch in fernen Ländern hiesige Standards durchgesetzt und eingehalten werden - um unerwünschte Negativeffekte sowohl auf die Gesellschaft als auch die Umwelt zu vermeiden.
«Da ist Politik gefordert mit Rechtsdialogen, auch Rechtsstaatsdialogen. Vor allem aber sind die Unternehmen selbst gefragt», sagt die Expertin. Sie entscheiden, ob sie sich nach internationalen Standards richten, eigene Verhaltenskodizes entwerfen und diese bei Geschäftspartnern implementieren oder eben nicht. Keine der Firmen sei nur Opfer der Senkung von Standards, sondern treibe diese durch Nichtstun selbst voran, prangert Zwick an. Als Positivbeispiel nennt sie Einzelhändler Otto.
Kleine Schritte, aber noch kein Durchbruch
Das Versandhaus versuche Standards anzuheben, und zwar mit genauen Zielvorgaben. «Otto sagt: Wenn ein Zulieferer binnen zwei Jahren mit unserer Unterstützung nicht auf dem Niveau ist, das wir uns vorstellen, dann wird die Geschäftsbeziehung beendet», weiß Zwick. Dem deutschem Nachhaltigkeitskodex habe sich Otto als eines der ersten Unternehmen verschrieben. Eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung kümmere sich um die strategische Verankerung im Kerngeschäft, die Einhaltung von Standards, deren Weiterentwicklung und Kommunikation bis zum Kunden.
Auch andere Firmen versuchten zusehends, unternehmerische und moralische Verantwortung miteinander zu vereinbaren. «Branchen, in denen sich etwas tut, sind klassischerweise die, die geschult sind durch Skandale, besonders die Textilbranche und Sportartikelhersteller wie Adidas und Puma», sagt die Expertin. Hier helfe auch der Druck der Öffentlichkeit. So konnte Greenpeace mit seiner Kampagne «Detox our future» besagte Marken sowie Modeketten wie H&M und C&A dazu bewegen, giftige Chemikalien bis 2020 aus ihrer Produktion zu eliminieren.
Die Kluft zwischen einzelnen Initiativen und dem Ist-Zustand bleibt bis dahin groß. Das belegte eine Studie der Ratingagentur Oekom Mitte 2012, die Textilherstellern ein insgesamt schlechtes Öko-Zeugnis ausstellte: Die Durchschnittsnote lag bei einer Skala von A+ bis D- gerade einmal bei D; Sieger Nike verbuchte ein mageres C+ für sich. Noch immer bestimmten Niedriglöhne, Überstunden und giftige Chemikalien das Bild, ein Prozess des Umdenkens habe aber eingesetzt, so das Fazit der Studie.
Mit Öko-Strategien bares Geld sparen
Zwick vom Rat für Nachhaltige Entwicklung zeigt sich trotzdem optimistisch, dass es nachhaltiges Wirtschaften irgendwann aus der Nische schafft - der Umwelt und Gesellschaft und folgerichtig den Unternehmen selbst zuliebe. «Die wollen auch in 50 oder 100 Jahren noch eine solide Geschäftsgrundlage haben, also Kunden, denen sie etwas verkaufen können, und eine Umwelt, aus der sie Ressourcen extrahieren können», sagt Zwick. Bei leeren Versprechungen könne und dürfe es deshalb nicht bleiben.
Denn Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt auch ein Profitfaktor, und das gleich in zweierlei Hinsicht. 1. Die Ressourcenpreise steigen, deshalb lohnt es sich, in grüne Innovationen zu investieren und so perspektivisch Geld zu sparen. Ökoeffizienz bedeutet also auch Kosteneffizienz. 2. Das Umweltbewusstsein der Verbraucher steigt und damit das Bedürfnis, nachhaltige Produkte zu konsumieren. Für Unternehmen birgt das die Chance, sich mit grünen Strategien von Mitbewerbern zu unterscheiden und bei Kunden zu punkten.
«Transparenz und Glaubwürdigkeit sind dafür unabdingbar», hält Zwick fest. Der Konsument merke mitunter schnell, wann er verschaukelt wird. Etwa wenn ein Unternehmen nur für eine Werbephase auf grün umschwenkt, sich davon nach Ende der entsprechenden Aktion im Angebot aber nichts mehr widerspiegele. Die Expertin empfiehlt hier, auf gewisse Siegel zu achten (Hinweise gibt es in der Broschüre Der nachhaltige Warenkorb) oder auf grüne Apps zurückzugreifen. «Letztlich aber muss man sich selbst eine Meinung bilden, welchem Unternehmen man vertraut und welchem nicht», so Zwick. Hier ist und bleibt guter Rat teuer.
Quelle: Nachrichten - Wirtschaft Nachrichten - Grüner Konsum - Das Nischendasein der Nachhaltigkeit
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