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Car IT revolutioniert Autozulieferindustrie

Veröffentlicht am 13. Juli 2012
Geschrieben von OLIVER WYMAN

Die wachsende Bedeutung der Elektronik und Software im Fahrzeug konfrontiert die Zulieferer mit technischen und strategischen Herausforderungen. In ihrer Tragweite sind sie mit denen von Elektromobilität oder Leichtbau vergleichbar. Es entstehen aber auch immense Chancen: Ob Connected Cars, intelligente Assistenzsysteme oder innovative Bedienkonzepte – Zulieferer können mit Fahrzeug-IT neue Umsatzquellen erschließen und aus ihrer engen Nische in der Lieferkette ausbrechen.

Die wachsende Bedeutung der Elektronik und Software im Fahrzeug konfrontiert die Zulieferer mit technischen und strategischen Herausforderungen. In ihrer Tragweite sind sie mit denen von Elektromobilität oder Leichtbau vergleichbar. Es entstehen aber auch immense Chancen: Ob Connected Cars, intelligente Assistenzsysteme oder innovative Bedienkonzepte – Zulieferer können mit Fahrzeug-IT neue Umsatzquellen erschließen und aus ihrer engen Nische in der Lieferkette ausbrechen.

Die Key Facts:

  • Die Fahrzeug-IT wird zum mächstigsten Innovationstreiber für die Autoindustrie
  • Die Zulieferer haben die strategische Bedeutung der Car IT erkannt und müssen nun im Rennen um Fähigkeiten mithalten
  • Zulieferindustrie sollte von der kommerziellen IT-Industrie lernen und Kooperationen eingehen

Und obwohl sich diese Erkenntnis im Management der Supplier weitgehend durchgesetzt hat, sehen viele von ihnen noch deutlichen Handlungsbedarf, um mit den neuen Technologien Schritt zu halten. Dabei können sie beim Aufbau der Fähigkeiten vor allem von der Software- und IT-Industrie lernen. Das zeigt die aktuelle Oliver Wyman-Studie „Car IT – Trends, Chancen und Herausforderungen für Automobilzulieferer".

Mit enormer Dynamik übernehmen eingebettete Computersysteme das Kommando im Auto. Bis zu 90 Prozent der Innovationen in kommenden Fahrzeuggenerationen wären ohne IT nicht denkbar. Elektronik, Software und darauf basierende Dienste im Fahrzeug und um das Fahrzeug herum werden schon in naher Zukunft einen beachtlichen Teil des Fahrzeugwerts ausmachen. Und bis 2016 wird die Zahl der vernetzten Fahrzeuge auf 210 Millionen steigen. Mehr als 80 Prozent aller verkauften Neuwagen werden dann „connected" sein. Getrieben wird der wachsende Anteil der Car IT vom anhaltenden Innovationsdruck der Autoindustrie, dem zunehmenden Preisdruck in der Wertschöpfungskette und von dem Bestreben nach kürzeren Markteinführungszeiten, wie sie Kunden von ihren Smartphones kennen. Durch die internen IT-Systeme können zudem neue Sicherheits- und Komfortfunktionen, innovative Bedienkonzepte sowie Informationsdienstleistungen implementiert werden, die ihrerseits wieder neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen – sofern die Branche es schafft, sich auf die Marktmechanismen der Softwareindustrie einzustellen.

 

 

Car-IT als wichtigstes Kompetenzfeld
Für die Studie zur strategischen Bewertung der Fahrzeug-IT bei Automobilzulieferern wurden die Top-Entscheider der Branche befragt. Dabei hat die große Mehrheit die enorme Bedeutung von Car IT für ihr Geschäft erkannt und erhofft sich von Software und IT-Services neue Umsatzquellen. Im Vergleich mit anderen wichtigen Trends in der Automobiltechnik rangiert die eingebettete IT auf der Prioritätenliste der CEOs, CIOs, Chefstrategen und Entwicklungsleiter weit oben. Nur Kostendruck, Globalisierung und Innovationsdruck belegen höhere Plätze. Demnach ist die Fahrzeug-IT strategisch ähnlich bedeutend wie Elektromobilität und Leichtbau – und auch bei diesen spielt sie eine relevante Enabler-Rolle. Besonders gute Geschäftschancen rechnen sich die Zulieferer für Entwicklungen in Infotainment, Telematik und Fahrsicherheit aus. Die deutlichsten Vorteile sehen die Supplier durch die Verlagerung der Funktionalitäten von der Hard- auf die Software. Mit der Modularisierung der Produktkonzepte und dem mehrfachen Verwenden einmal entwickelter Module entsteht ein Rationalisierungseffekt. Fast 90 Prozent der Befragten sehen darin einen Weg Stückkosten zu senken. Doch geht es in erster Linie um die technische Führungsposition. „Denn wer eine IT-Plattform entwickelt, die so attraktiv ist, dass OEMs sie übernehmen, kann seinen Platz in der Lieferkette selbst definieren", verdeutlicht Juergen Reiner, Partner bei Oliver Wyman und Autor der Studie. Große Chancen ergeben sich auch aus der Erweiterung des Produktportfolios durch innovative Lösungen, etwa die Nutzung von Aftersales Services im Softwarebereich. Funktionen könnten gegen Bezahlung nachträglich freigeschaltet oder zum Download angeboten werden und Prozesse über App-Infrastrukturen laufen.


Stärkerer Wettbewerb mit neuen Playern
Nicht zu unterschätzen sind geschäftliche und technische Risiken. Die befragten Automobilzulieferer befürchten eine Kommoditisierung von Hard- und Softwarefunktionen. Dies kann den Druck auf die Gewinnmargen traditioneller Komponenten- und Systemlieferanten weiter verstärken. Zudem droht sich das Gefüge des Innovations- und Wertschöpfungsbeitrags innerhalb der Lieferkette zu verschieben, weiter in Richtung Content, Daten und Service, wo Betrieb und Configuration Management wichtige Rollen spielen. Neue, auch Automobil-branchenfremde Spieler steigen bereits in den Markt ein und erhöhen den Wettbewerbsdruck. Besorgt sind die Zulieferer auch darüber, dass der zunehmende Anteil der Fahrzeug-IT an der Wertschöpfung den Wertbeitrag der einzelnen Teilnehmer schrumpfen lässt. Außerdem werden die Fahrzeugsysteme immer komplexer und die Entwicklungskosten nehmen weiter zu. Darüber hinaus wird die Integration der Systeme erschwert. Fehlfunktionen und Pannen nehmen zu und verzögern oder verhindern sogar die Markteinführung. Trotz der vielen Risiken überwiegen aus der Sicht der Zulieferer die Chancen bei weitem. 87 Prozent der befragten Manager sehen in der Fahrzeug-IT attraktive Möglichkeiten für ihr Unternehmen und für die Industrie. Aufgrund der hohen Bedeutung der Fahrzeug-IT für ihr Geschäft haben viele Unternehmen bereits Aktivitäten zur Stärkung ihrer Position in diesem Umfeld eingeleitet. Die Maßnahmenzielen in erster Linie auf die Intensivierung von Forschung und Entwicklung. Hinzu kommen der Aufbau eines abgestimmten Innovationsmanagements und der Ausbau des Produktportfolios. Auch haben viele Unternehmen begonnen, sich nach geeigneten Kooperationspartnern in Industrie oder Forschung umzusehen.

IT-Denkweise ist noch schwach ausgeprägt
Insgesamt zeigt die Oliver Wyman-Studie erheblichen Handlungsbedarf, vor allem mit Blick auf die Transformation der Marktteilnehmer vom Komponentenlieferanten hin zum Software- und Dienste-Provider. Die meisten Supplier bewerten ihr Innovationsmanagement und IT-Scouting als nicht zielgerichtet genug. Und während viele von ihnen in Arbeitsgemeinschaften und Entwicklungskooperationen innerhalb der Branche zusammenarbeiten, sind Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen dünn gesät. Große, umfassende Kooperationen mit wichtigen Unternehmen der IT-und Softwareindustrie haben bisher ebensowenig stattgefunden. Nachholbedarf besteht zudem bei der Entwicklung eines aktiven Portfoliomanagements und professionellen Anforderungsmanagements. „Im klassischen Entwicklungsgeschäft sehen sich die Zulieferer zurecht hervorragend aufgestellt", erklärt Juergen Reiner. „Aktiv werden müssen sie allerdings rund um das Thema Software – bei Fähigkeiten, Prozessen, Tools und Konfigurationsmanagement sowie bei Geschäftsmodellen mit Services und Betrieb." Noch größer beurteilen die Supplier ihren Handlungsbedarf bei der Einführung IT-adäquater Projektorganisationen: Insbesondere Elemente eines IT-gerechten Kosten-Nutzen-Managements aus Kundensicht für neue Funktionen fehlen weitgehend. Das Gleiche gilt für das Vertriebsmanagement von IT-Services. Bisher fehlen konkrete Vertriebsmodelle für Apps und Online- Funktionalitäten. Wer dazulernt, gewinnt.

 

 

Notwendig ist der weitere Aufbau von umfassenden IT-Kompetenzen für die Produktentwicklung. Neben der Professionalisierung des Innovationsmanagements muss das Portfoliomanagment ausgebaut und an die Best Practices von im IT-Umfeld etablierten Unternehmen ausgerichtet werden. Diese haben bereits einen sehr hohen Reifegrad mit hoher Agilität und Kundenzentrierung erreicht. Es ist entscheidend, dass die Zulieferer ihr Produktportfoliomanagement, die Steuerung und Bewertung ihrer Produkte über ihren Lebenszyklus, ihr Partnerschaftsportfolio und ihre Entwicklungsprozesse einer kritischen Bewertung unterziehen und die entsprechenden Maßnahmen einleiten. „Es ist für die Automobilzulieferer wichtig, die Prozesse, Tools und Verfahren der kommerziellen IT zu beherrschen. Das erfordert eine komplette Transformation der Entwicklungsabteilungen und reicht bis zum Einrichten von Softwarefabriken", macht Studienautor Juergen Reiner deutlich. „Gewinnen wird derjenige, der es schafft, sich als End-to-end-Betreiber von IT-Lösungen im Fahrzeug zu positionieren."

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